
Beitrag von Tina
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Meine Anteile – sie sind ein bisschen mehr, als das, was man üblicherweise als “inneres Kind” bezeichnet und weniger als eine eigene Person. Schon alleine, weil ich dem Mädchen (meinem früherer Ich) nie eine Persönlichkeit zusprechen würde. Für mich hatte es schlicht nie eine. Die ist für mich zumindest nicht zu greifen. Aber ist das nicht auch der Kern des Missbrauchs, das Absprechen, nicht zu gestehen einer eigenen Persönlichkeit? Für mich ist dieses Mädchen ein Echo an nie ausgehaltenen Gefühlen, ja noch nicht einmal Gefühle, die als diese wahrgenommen werden. Es besteht – bestand – auch nie aus viel mehr als aus diffusen, unangenehmen Gefühlen, die auf es einprasselten, die in ihm einen Nachhall erzeugten. Es ist ohne Stimme, ja fast ohne Gedanken, nur eine Hülle, fast durchsichtig, hallt alles, was auf es eindringt, in ihm nach. Ein unangenehmes Echo, das irgendwie stecken geblieben ist und sich nun unaufhörlich wiederholt. Vielleicht… vielleicht hallt es so lange nach, bis es einer versteht, bis daraus irgendwann eine Stimme für jemanden zu hören ist. Bis es irgendwann nicht mehr das stumme Mädchen ist, das es gewesen ist.
Meine Aufgabe ist es nun zu versuchen dieses Echo irgendwie zu entschlüsseln, zu verstehen und zu übersetzen, weil dieser Nachhall in meinem Körper mich immer wieder überwältigt, mich vereinnahmt, mich in die Knie zwingt. Ich bin zu viel gefordert, schlicht überfordert, mit den Gefühlen des Mädchens, weil ich selbst nicht auf den Halt stoße, der mich durchatmen lässt. Mir bleibt zu wenig eigener Raum, nicht genügend Zeit, ich komme gefühlt viel zu kurz, denn ich habe auch noch ein Leben zu leben. Und so wird die innere Not der Anteile zu meiner eigenen Not. Zu einer neu gewachsenen inneren Not.
Ich identifiziere mich nicht mit diesem Anteil, mit diesem Mädchen, es ist nicht „ich“, weil „ich“ noch immer nur meine letzten neun Jahre umfässt, von meinem fünfzehnjährigen Ich bis ins Heute. Die ersten 15 Jahre bei meinem Vater waren ein anderes Leben, gehören nicht zu „mir“, die habe „ich“ schließlich nicht bewusst erfahren. Ich erinnere mich auch kaum an diese Zeit, kann daher wenig Bezug dazu finden und ich war damals schlicht eine völlig andere Person, die gefühlt nichts mit mir heute zu tun hat. Das kleine Mädchen, dass da irgendwo ein Teil von mir ist – es tut mir leid, so wie es mir für jedes andere Kind leid tun würde, dass es so leidet, dass es erfahren musste, was es erfahren hat, aber manchmal da bin ich auch wütend auf diesen Anteil, weil es mir keine Ruhe lässt, weil „mir“ mein Platz genommen wird und ich frage mich dann gedanklich hin und wieder verärgert, wie ich nun dazu komme, dass mein Körper als Gefäß herhalten muss, um dieses Echo in Form von schrecklichen Gefühle und Körperempfindungen für einen Moment zu halten und zu ertragen. Das fühlt sich oft so an als müsste ich nun die Gefühle einer anderen in und an meinem Körper spüren. Sie über mich herabregnen lassen, sie über mich ergehen lassen. Zu Beginn nie wissend, was mich da wann überfällt und wodurch das nun wieder ausgelöst wurde.