
Glossar
Entwicklungstrauma
Der Begriff Entwicklungstrauma steht für eine
komplexe Posttraumatische Belastungsstörung
(komplexe PTBS).
Formen von PTBS
Die zumeist bekannten klassischen PTBS werden durch Einzelereignisse ausgelöst, z.B. Kriegserfahrungen, Naturkatastrophen oder Folter.
Im Unterschied dazu zeichnen sich komplexe PTBS, das Entwickungstrauma, durch länger andauernde Einwirkungen auf einen Menschen aus. Eine PTBS ist ein psychisches Krankheitsbild, das sich durch schwere und anhaltende, wiederholende Traumatisierungen entwickeln können. Zu den Ursachen gehören z.B. psychische und physische Gewalt, d.h. Misshandlungen, emotionale Vernachlässigung oder sexueller Missbrauch.
Bei der Entstehung von komplexen Traumata spielt also die Dauer und Intensität der Einwirkungen eine wichtige Rolle. Aber auch einmalige schlimme Erfahrungen können zu einem Trauma führen.
Kein Trauma gleicht einem anderen. Jeder Mensch geht unterschiedlich mit Erfahrungen um.
Entwicklung von komplexen PTBS
Traumatisierte Menschen haben Situationen erlebt, die sie überfordert und die vorhandenen Bewältigungskompetenzen überstiegen haben. Dies geschieht z.B. im Kindes- und Jugendalter, in dem die jungen Menschen durch Machtstrukturen und / oder Gewalt und / oder Diskriminierung (älteren) Personen ausgeliefert sind. Das kann in allen Institutionen, wie z.B. Kindergärten oder Schulen, aber vor allem in Familienstrukturen vorkommen.
Neben Kindern und Jugendlichen können auch erwachsene Personen eine komplexe PTBS entwickeln, z.B. in Folge jahrelanger Erkrankungen, Missbrauch durch Partner*innen, Mobbing am Arbeitsplatz oder innerhalb der Nachbarschaft.
Symptome können sowohl zeitnah nach entsprechenden Erlebnissen, als auch mit erheblichen zeitlichen Verzögerungen in Erscheinung treten.
Folgen von komplexen PTBS
Die Folgen PTBS auslösender Ereignisse sind gekennzeichnet durch kognitive, psychische, affektive und psychosoziale Beeinträchtigungen. Diese bestehen meist über einen langen Zeitraum und umfassen alle Lebensbereiche.
Zu den Symptomen gehören z.B. Affektregulationsstörungen, negative Selbstwahrnehmung und Beziehungsstörungen.
Symptome lassen sich kognitiv nicht so steuern, dass sie gänzlich verschwinden. Das heißt, sie treten immer wieder auf, ohne dass Betroffene bewusst und / oder langanhaltend darauf einwirken können. „Den Symptomen ausgeliefert zu sein“ führt wiederum dazu, dass sich Betroffene ohnmächtig und ihres freien Willens beraubt fühlen können. Das kann dazu führen, dass immer wieder neue Bewältigungsstrategien ausprobiert werden, ohne die den Symptomen zugrundeliegende komplexe Traumatisierung zu heilen. Zu den sich entwickelnden Bewältigungsstrategien können z.B. Vermeidungsstrategien, der Wunsch nach Isolation oder auch starker Eingebundenheit in soziale Interaktionen, verschiedene substanzgebundene und verhaltensgebundene Suchtformen (z.B. Nikotin, Medikamente, Alkohol, Arbeit, Sport) gehören. Die Wahl der Bewältigungsstrategien ist abhängig von einer Mischung aus Prädispositionen (mögliche genetische Veranlagungen), Prägung in der Kindheit und Jugend, Bildung sowie durch kulturelle, ökonomische (finanzielle) und soziale Normen, Werte und Möglichkeiten.
Klassifizierung einer komplexen PTBS
Das Krankheitsbild der komplexen PTBS wurde 1992 in Amerika eingeführt. Dennoch ist die Diagnose in Deutschland noch nicht etabliert. 2022 wird die komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (KPTBS) erstmals als eigenständige Diagnose in das medizinische Klassifikationssystem ICD-11 aufgenommen. Dadurch entstehen eine größere Wertschätzung, Anerkennung, bessere Möglichkeiten (frühzeitiger) Diagnostik und Weiterbildungsmöglichkeiten für Fachpersonal.
ICD-11 6B41 Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung
Beschreibung
Eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung (komplexe PTBS) ist eine Störung, die sich entwickeln kann, wenn ein Mensch einem Ereignis oder einer Reihe von Ereignissen extrem bedrohlicher oder schrecklicher Natur ausgesetzt wird. Am häufigsten handelt es sich um verlängerte oder sich wiederholende Ereignisse, aus denen ein Entkommen schwierig oder unmöglich ist, z.B. Folter, Sklaverei, Völkermordkampagnen, anhaltende häusliche Gewalt, wiederholter sexueller oder körperlicher Missbrauch in der Kindheit. Alle diagnostischen Anforderungen für PTBS sind erfüllt. Darüber hinaus ist die komplexe PTBS durch schwerwiegende und anhaltende
- Probleme bei der Regulierung von Affekten gekennzeichnet;
- Überzeugungen über sich selbst als vermindert, besiegt oder wertlos, begleitet von Schamgefühlen, Schuldgefühlen oder Versagen im Zusammenhang mit dem traumatischen Ereignis; und
- Schwierigkeiten, Beziehungen aufrechtzuerhalten und sich anderen nahe zu fühlen.
Diese Symptome verursachen erhebliche Beeinträchtigungen in persönlichen, familiären, sozialen, erzieherischen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
Quellen:
https://icd.who.int/browse11/lm/en#/http://id.who.int/icd/entity/585833559
https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/risikofaktoren/traumata-schwere-belastungen/
https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/155-001l_S3_Posttraumatische_Belastungsstoerung_2020-02_1.pdf
https://www.praxis-landgraf.de/2011/01/trauma-posttraumatische-belastungsstoerungen-ptbs/
https://de.wikipedia.org/wiki/Komplexe_posttraumatische_Belastungsst%C3%B6rung#Symptome
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Der Schlüssel zur Heilung liegt darin, das ursprüngliche Trauma noch einmal durchzugehen und es erneut zu durchleben, ihm leidenschaftlich und vorbehaltlos zu begegnen und es zu einer Lösung zu führen. Auf diese Weise wird das festgefahrene Verhaltensmuster gesprengt, die Blockade löst sich auf – und dann kann die Lebensenergie wieder frei fließen.
Strephon K. Williams,
Durch Traumarbeit zum eigenen Selbst
Die Verarbeitung des Urschmerzes beruht auf der Hypothese, daß frühkindliche, seelische Schmerzen betäubt oder blockiert sind. Wir agieren, weil wir sie nie verarbeitet haben. Und wir können sie nicht verarbeiten, weil die Mechanismen, die für die Blockierung verantwortlich sind (die Abwehrmechanismen) uns daran hindern, unsere Schmerzen überhaupt wahrzunehmen.
John Bradshaw,
Das Kind in uns