Imaginationen



Beitrag von Gastautor*in Franzi
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Fotos ausgewählt von TRAUMALEBEN
Quellenangaben am Ende des Beitrages

Schon als ich klein war, habe ich mich ständig in irgendwelche Fantasiewelten zurückgezogen. Dort war dann meist alles sehr bunt und ich konnte mir vorstellen, wie mich jemand in den Arm nimmt oder dass ich mich mit ganz vielen Freunden treffe oder manchmal auch dass ich ein Rockstar bin.

In deiner geistigen Fantasiewelt ist immerhin so gut wie alles möglich.

Ganz unbewusst habe ich dadurch, bereits vor Jahren, angefangen mir innere, sichere Orte zu schaffen. Imaginationen, zu denen ich stets zurückkehren oder sie anwenden kann, wenn es mir psychisch z.B sehr schlecht geht, ich mich alleine fühle oder einfach nur mal kurz eine Auszeit von der Realität brauche.

Erst während der Therapie habe ich gelernt, dass diese Taktiken, welche ich da so unbewusst angewandt habe, so auch in der Traumatherapie geübt werden.

Von einigen Übungen, dachte ich, erzähle ich euch heute mal ein bisschen was…

Der sichere Ort

Jeder hatte bestimmt schon mal diesen Moment: Du hattest einen mega stressigen Tag, kommst nach Hause, lässt dich auf die Couch gleiten, schließt die Augen und stellst dir vor, du könntest jetzt stattdessen gemütlich am Strand, in der Sonne liegen (oder im Wald, etc.).

Den Sinn des inneren, sicheren Ortes können wir uns jetzt relativ ähnlich vorstellen. Man erschafft sich imaginativ einen Ort, an welchen man sich in stressigen oder schweren Zeiten zurückziehen und wieder Kraft tanken kann. Wenn die äußere Umgebung gerade ganz beängstigend wirkt, dann kannst du an einen inneren Ort gehen, welcher dir das Gefühl von Sicherheit vermittelt. Dadurch kommen wir innerlich kurz etwas runter, was wiederum die Ausschüttung von Stresshormonen reduziert.

Je nachdem wie es für euch angenehmer ist oder was bei euch besser funktioniert, könnt ihr die Augen schließen oder auch geöffnet lassen. Ihr könnt ruhiger dazu atmen, so als würdet ihr eine Meditation starten oder aber auch eure ganz normale Atmung beibehalten.

Stellt euch nun einen Ort vor, an welchem ihr euch wohlfühlt. Was das ist, ist völlig egal. Denkt daran: In eurer Fantasie könnt ihr ALLES erschaffen.

Möglichkeiten wären z.B:

  • ein kleines Häuschen am See oder am Meer
  • ein Garten mit vielen Blumen
  • ein Flugzeug oder ein Raumschiff
  • ein Platz auf einen fremden Planeten
  • ein Raum, den ihr ausgestaltet, wie ihr es mögt
  • ihr könnt einen Ort aus einem Videospiel nehmen oder sogar ein eigenes, inneres Videospiel
    erschaffen
  • ein Wald, ein Canyon, eine Wiese usw.
  • vllt. gab es auch früher einen Ort, an dem ihr immer gerne wart
  • usw.

Seht diesen Ort nun quasi erst einmal als Rohfassung an.

Nun beginnt ihr mit euren Sinnen zu arbeiten. Umso greifbarer und echter dieser Ort nämlich wird, umso mehr verfestigt er sich auch in euch und verschwindet nicht direkt wieder.

  1. Schaut euch um. Was seht ihr? Ihr könnt nun überall viele kleine Details einarbeiten. Ich würde
    aber empfehlen das erst nach und nach zu tun, da ihr euch sonst beim ersten Mal überfordern könntet. Vllt. steht auf dem Kamin eine Vase. Vllt. leuchtet das Wasser im Dunklen oder im Garten steht ein schöner, großer Apfelbaum, unter dessen Schatten ihr euch setzen könnt.
  2. Was riecht ihr nun? Die frische Meeresbrise oder die warme Frühlingsluft?
  3. Was hört ihr? Die Vögel oder den Bach rauschen?
  4. Was schmeckt ihr? Vllt. pflanzt ihr Gemüse auf einem fernen Planeten an oder ihr könnt den
    Geschmack des Waldes wahrnehmen.
  5. Und was fühlt ihr? Könnt ihr das Gras unter euren Füßen fühlen? Oder die warmen
    Sonnenstrahlen auf der Haut?

So, nun kommen wir dazu, dass euer Ort auch sicher bleibt.

Ich persönlich bevorzuge es, niemand von meinem Ort zu erzählen. Auch meine Therapeutin weiß nur ein paar wenige Details. Das sichert einfach schon mal dem Gedanken vor, dass da plötzlich jemand auftauchen könnte, den man da gar nicht haben will. Schnell hat man dort nämlich mal eine reale Person hineinprojiziert. Sollte das vorkommen, kann man sich dann in Erinnerung rufen, dass niemand von diesem Ort weiß und dadurch auch keinen Zugang dazu hat.

Weitere Möglichkeiten, den Ort so sicher wie möglich zu gestalten, sind:

  • wenn euer Ort eine Tür hat, könnt ihr ein sicheres Schloss anbringen und ein Passwort
    einrichten
  • euer Ort liegt auf einem fremden, unbekannten Planeten, den niemand sonst erreichen kann
  • Felsschluchten können ihn umgeben oder ihr baut einen sehr hohen Zaun
  • wie bei Harry Porter könnte es z.B. ein geheimes Portal geben, welches nur ihr finden und
    benutzen könnt
  • ihr könnt Wachen aufstellen oder ein großes angsteinflößendes Fabelwesen platzieren, welches euch aber natürlich wohlgesonnen ist, wie die Sphinx z.B.
  • usw.

Weiter könnt ihr:

  • Helfer*innen einbauen, wie z.B. Feen, Elfen, Tiere, Engel, Videospielcharaktere, usw. Von realen
    Menschen würde ich aber absehen, da nie klar ist, wie sich das Verhältnis zu diesen im realen Leben entwickelt. Sollte es mit der Person in der realen Welt einmal Streit geben und ihr habt sie auch an eurem inneren Ort, wäre dieser dann nicht mehr sicher.
  • Ihr könnt einen Kompost o.ä. errichten, auf den ihr ungute Gefühle etc. werft.
  • Wenn dissoziative Anteile bei euch vorhanden sind, könnt ihr diese auch einladen dort hin zu
    kommen. Diese könnten dort spielen oder man nutzt eine bestimmt Stelle des Ortes, um
    sich dort zu treffen.

Die Tresorübung

Bei dieser Übung geht es darum, negative Gedanken, Bilder oder Gefühle erst einmal wegzupacken, so dass sie im Hier und Jetzt nicht weiter „stören“.

Damit kannst du diese Sachen natürlich niemals für immer wegschließen, aber es gibt dir die Möglichkeit all das nach und nach und wann es für dich passender ist, herauszuholen und anschauen.

Dazu stellst du dir ein Behältnis vor (einen Tresor, eine Kiste, Schachtel, Truhe, ein Schließfach, usw.) in welches du alles reinpackst, was du gerade nicht bearbeiten kannst.

Verschließe dieses Behältnis dann mit einem Schloss, einem Passwort, einer Zahlenkombination, usw.

Möglich ist aber auch hier wieder alles andere: Du kannst die Sachen geistig aufschreiben und wegpacken, einen Ballon steigen lassen, sie begraben uvm. Ich z.B. kapsle sie ein und verstaue sie so in meinem Inneren.

Dissoziative Anteile packt ihr da aber bitte nicht rein! Das wäre nicht nur extrem unfair und gemein, sondern kann auch dem Heilungsweg extrem im Weg stehen. Denn die dissoziativen Anteile haben in den meisten Fällen, im Laufe ihres Lebens, bereits sehr großen Schmerz und Ablehnung erfahren!

Äußere Einflüsse abblocken

Ich weiß gar nicht, ob es dazu einen passenden Übungsnamen gibt …

Ich entwickelte diese Strategie, weil mich der Kontakt zu einer bestimmten Person immer wieder stark triggert und mich schnell in emotionale Flashbacks wirft. Da ich den Kontakt zu dieser Person leider nicht komplett umgehen kann, fing ich an imaginativ eine Trennung zwischen mir und ihr zu errichten. Wenn es dann zu verbal missbrauchendem Verhalten kommt oder mich bereits nur der Name auf dem Handy stark triggert usw., ziehe ich im Inneren eine Wassersäule um mich herum hoch.

Ich befinde mich in der Mitte dieser Säule, deren Wasser extrem schnell hochschießt und deshalb auch sehr hart ist. Alles was jetzt von der Person außerhalb kommt (oder was ich auch nur befürchte, was kommen könnte), prallt jetzt quasi an dieser Wassersäule einfach ab und kann nicht zu mir durchdringen.

Mir hilft das manchmal (nicht immer!) mich etwas zu beruhigen, einfach weil ich diese Trennung spüre und mich dadurch nicht mehr in akuter Gefahr wiege. Generell ist da ja nicht mein Leben in Gefahr, aber wir wissen ja, das unser Gehirn solche Situationen trotzdem so einstuft.

Möglich wäre da aber natürlich auch Feuer, welches äußere Angriffe einfach verbrennt, bevor sie zu dir durchkommen. Oder eine Erdsäule oder ein Sturm, der alles fortträgt, usw.


Macht euch aber bitte keine Gedanken, wenn das eine oder andere nicht klappt. Bei manchen ist es auch so, dass eine Übung überhaupt nicht funktioniert oder sogar beängstigende Gefühle auslösen kann. Wenn du dich bei einer Übung unwohl fühlst, passe sie an das an, was für dich angenehm ist. Oder du machst sie zu einem späteren Zeitpunkt nochmal oder vllt. ist sie auch generell einfach nichts für dich. Wir sind alle so unterschiedlich und natürlich kann deshalb nie alles für alle gleich gut sein. Es gibt auch ganz viele Dinge die bei mir einfach nicht klappen, obwohl andere darauf schwören. Und das ist okay.

Ich hoffe, ich konnte euch damit die ein oder andere Anregung geben. 🙂

Gastautor*in Franzi


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Hallo alle zusammen!
Ich bin Franzi und betroffen von einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung, einer Angststörung, sowie einer dissoziativen Störung.
Auch Depressionen begleiten mich schon fast mein ganzes Leben. Mal sind sie besser, mal etwas schlechter, so wie auch z.Z. Dennoch habe ich diese Momente, wo die Depression einmal Urlaub hatte, noch im Kopf. Da will ich wieder hin und dieser Gedanke gibt mir auch immer wieder die Kraft und Hoffnung irgendwie weiter zu machen.

Von Martin Luther King gibt es dazu auch ein tolles Zitat, was mir in schweren Zeiten oft extrem hilft:

„Wenn du nicht fliegen kannst, laufe. Wenn du nicht laufen kannst, gehe. Wenn du nicht gehen kannst, krieche. Aber was auch immer du tust: Mach weiter!“

Quellenangaben zu den aufgeführten Bildern

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