Das Gefühl, nicht Dasein zu dürfen


Beitrag von Maya
⏱ Geschätzte Lesedauer: 2 Minuten
Beitragsbild von Polina Sirotina on Pexels.com

In den letzten Monaten kommen immer wieder vermehrt Gefühle hoch, die sich in folgende Gedanken formieren:

Du darfst DAS und DICH nicht zeigen.

Du solltest dich dafür schämen DAS über dich und andere zu sagen / schreiben.

Wie konnte ich DAS nur sagen / schreiben.

Ich BIN ein furchtbarer Mensch.

Jetzt – puff – einfach WEG SEIN, nicht fühlen, nicht fühlen.
Wie kann ich nur fühlen und glauben, das DAS wichtig ist?
Jetzt denkt XY bestimmt schlecht über MICH.

(…)

Diese Gedanken beziehen sich in den letzten Monaten vor allem auf Erzählungen ggü. meinem Therapeuten und auf Tätigkeiten, also Artikel usw., hier auf dem Blog, aber auch aufgrund der bereits thematisierten zum Teil unsolidarischen Umgangsweisen während der Corona-Pandemie.

Ich zeige mich wieder, meine Gefühle, meine Gedanken – genau das, was zu den retraumatisierenden Momenten gehört.

Rein rational, wenn ich nicht getriggert werde, wenn ich keine Gefühlsflashbacks habe, weiß ich ganz genau, dass all die Dinge, die ich zu meinem Therapeuten sage oder hier schreibe eine Daseinsberechtigung haben, dass meine Gefühle und Gedanken da sein dürfen.

Aber mein inneres Kind – möchte immer noch, immer wieder im Boden versinken, schämt sich, möchte aufhören zu existieren, aufhören zu atmen, sich auflösen, um von nichts und niemandem gesehen und registriert zu werden. Es fühlt sich schlecht, einfach nur weil es existiert, für alles was es sagt und macht.

Wenn ich mir nun vorstelle, dass ich dieses Gefühl während meiner Kindheit und Jugend fast durchgehend hatte, dann frage ich mich immer wieder, vor allem jetzt, da ich selber ein Kind habe: Wie kann ein Kind das nur so lange aushalten? Wie kann man seinem Kind das nur über so viele Jahre antun, dass es letztendlich „für den Rest seines Lebens“ so furchtbar von sich selbst denkt?
Kinder sagen es, wenn ihnen etwas nicht passt oder sie verletzt – außer vllt. man trainiert ihnen dies bereits im Kleinkindalter ab… Kinder können sich noch nicht gut regulieren im Sinne hiesiger gesellschaftlicher Normen und Werte, nach meiner Erfahrung „schreien“ die Signale von Kindern den Menschen entgegen, wenn ihre Grenzen übertreten werden… Und dann, letztendlich sind Kinder Spiegel ihrer Umgebung – sie denken über sich selber, was die Erwachsenen über sie denken. Das entsteht ja nicht über Nacht oder durch ein paar schlechte Momente, sondern durch viele Jahre andauernde Erfahrungen. Sie nehmen diese Gedanken auf, bis sie irgendwann zu ihren eigenen Gedanken werden.

Ja, auch ich habe manchmal, so wie alle anderen Elternteile, Gedanken dazu wie nervig irgendwelche Verhaltensweisen von meinem Kind sind – aber ich kann doch als Mensch zumindest (meistens) soweit reflektieren, dass ich dies meinem Kind nicht an den Kopf werfe. Und wenn dies doch mal passiert, dann entschuldige ich mich dafür und sage, dass ich gerade überfordert und schlecht drauf war und mein Gesagtes nichts mit ihm zu tun hat.

Aber ich glaube, dass das, was komplex traumatisierten Menschen widerfahren ist, auch weit über „irgendwelche Verhaltensweisen“ von Eltern hinausgeht. Zumindest bei mir weiß ich nun, dass meine Elternteile alle selbst traumatisiert waren und sind, alle so sehr mit sich zu tun hatten und haben, dass ich eher ein unliebsames Anhängsel war und bin, dass einfach irgendwie mitgeschleppt werden musste.

Und wenn sich dann die oben beschriebenen Gedanken wieder zeigen, dann weiß ich nach ein paar Minuten zwar, dass dies nur die Überbleibsel aus meiner Kindheit und Jugend sind, die nichts mit meiner tatsächlichen Realität menschlichen Daseins zu tun haben – dennoch glaubt mir mein inneres Kind immer noch nicht – ein Teil in mir fühlt es nicht.

Also mache ich wieder mal weiter, Tag für Tag und lebe meinem inneren Kind vor welche erwachsene Einstellung ich mir gewünscht hätte als Kind.

Und wie ich es in dem Artikel „Wenn man Täter*innen liebt“ bereits einmal geschrieben habe, versuche ich irgendwie, als neben mir stehende erwachsene Person, zu mir, dem kleinen stummen Kind, zu sagen: „Ich beschütze dich nun – das lasse ich nicht mehr zu! Ich werde für dich kämpfen!“

Und vielleicht glaube ich mir irgendwann – auch emotional.

Vielleicht will ich mich irgendwann nicht mehr auflösen – also vollkommen natürlich und bewusst DASEIN und ATMEN…

Vielleicht schäme ich mich irgendwann nicht mehr für etwas, von mir, über mich Gesagtes oder eine Handlung, in der ich für mich eintrete – also bin einfach STOLZ AUF MICH…

Vielleicht habe ich irgendwann keine Angst mehr vor den Reaktionen anderer Menschen – also VERTRAUE AUF MICH…

Vielleicht ist die für andere oft so normale Daseinsberechtigung irgendwann auch eine Normalität für mich.

Bis jetzt läuft jedenfalls vieles eher nach dem Motto: Ich habe Angst und schäme mich – und mach es trotzdem einfach. Einfach springen – ins kalte Wasser…

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