„Der Schatten im Türrahmen“ – oder wenn Träume zu realistisch sind


Beitrag von Tina
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Immer, wenn ich meinen Vater wieder sehr vermisse, an seinen guten Seiten, die er auch hatte, festhalte und in Mitgefühl eintauche, wegen all seiner erlittenen Traumata und wegen dem Leben, das er heute führt, dann werden meine Albträume, die ihn betreffen, wieder lauter. Ich flüchte mich sozusagen in die Liebe, (das habe ich immer schon getan) um bestimmte Dinge nicht fühlen zu müssen. Verdrängung eben. Doch mein Unterbewusstsein scheint dagegen anzukämpfen und mich vor den Gefahren meines Vaters zu warnen. An der Stelle auch noch einmal ein großes Dankeschön an die Kommentarschreiberin bei meinem Beitrag zu „Vermissen und Sehnsucht“, die mir meine Schutzmechanismen nochmals vor Augen hielt. Gerade bin ich dabei mich wieder zu sortieren, wieder zu mir zu finden, denn ich habe mich im Chaos der Ereignisse in den letzten Wochen etwas verloren und der folgende Traum scheint mir irgendwie ein Teil eines Anfanges dafür zu sein.

Ich bin in einem Zimmer, etwas daran fühlt sich schrecklich vertraut an. Es ist etwas passiert, irgendetwas habe ich erfahren und ich bekomme es sehr mit der Angst zu tun. Männer würden bald in dieses Zimmer kommen Jemand könnte bald kommen und ich habe keinen Schutz. Ich werde panisch. Ich möchte jemandem anrufen. Um Hilfe. Ich bin verzweifelt. Alle haben sie schon Beschützer, nur ich habe niemanden. Ich bin allein. Szenenwechsel. Vielleicht fehlt mir auch ein Teil des Traumes, doch es ist der gleiche Raum, nur das nun alles viel klarer ist. Ich liege im Bett. Gelähmt vor Angst, überwältigt von all den Gefühlen, der Furcht, in mir. Angespannt vor Erwartung an schlimmes. Panik brodelt in meinem Magen. Ich fühle mich beobachtet, jemand kommt immer näher. Es ist dunkel, doch von irgendwo im Flur kommt ein wenig Licht. Ich hebe leicht den Kopf und sehe einen großen Schatten an meinem Türrahmen stehen. Die Panik schießt nach oben. Es bebt innerlich in mir, immer heftiger, doch mein Körper ist starr vor Schreck. Trotzdem, innerhalb von wenigen Sekunden beschließe ich zu schreien, mich nicht wieder der lähmenden Angst zu ergeben, womit ich mich dem Beobachter regungslos ausliefern würde. Ich möchte nicht wieder so passiv sein, daher nehme ich all meinen Mut zusammen, alles, was ich irgendwo zusammenkratzen kann und ich kämpfe, kämpfe mit aller Kraft gegen die Lähmung an. Ich spüre wie sich das Adrenalin, die Angst in mir aufbäumt, wellenförmig pumpt es in mir. Ich hebe meinen Oberkörper ein wenig, stütze mich dabei mit beiden Händen an der Matratze ab, um meinem Brustkorb mehr Raum zu geben, in der Hoffnung so besser atmen zu können. Ich hole einen tiefen, jedoch schnappenden Atemzug. Es ist, als schnüre es mir die Kehle zu und ich bin nicht sicher, ob mein Mund noch Laute formen kann. Doch dann schreie ich plötzlich, mit all meiner Kraft, aus vollem Halse, aber von der Lautstärke her ist es nicht mehr als ein Sprechen. Kein leises, aber einem Schrei wird es eben auch nicht gerecht. Der Schatten scheint zu erschrecken und sich langsam nach hinten aus dem Türrahmen fortzubewegen. Die Panik steigt nun ins unermessliche, sie ist nicht mehr haltbar, denn das bedeutet, es ist wirklich jemand im Haus, der mir auflauert. Abrupt schlage ich die Augen auf, mir ist heiß, ich versuche mich etwas von der Decke zu befreien. Ich liege in der selben Position, wie ich das im Traum tat, nur das Zimmer ist ein anderes. Sofort schoss mir beim Aufwachen der Gedanke in den Kopf, dass ich die Wohnungstür nicht abgesperrt habe. Angst überkommt mich erneut, ich fühlte mich noch immer beobachtet. Ist jemand in der Wohnung? Ist das möglich? Ist er hier? Hat er mich gefunden, mein Vater? Die Angst war lähmend, ich rang sehr lange mit mir endlich aufzustehen, nachzusehen und die Tür zu verschließen. Denn was ist, wenn da tatsächlich jemand ist, dann möchte ich das vielleicht lieber nicht wissen, dann „stelle ich mich besser tot“, anders als im Traum. Doch ohne diese Schritte wäre mir ein erneutes Einschlafen nicht möglich gewesen. Ich brauchte die Gewissheit, dass ich wirklich in Sicherheit bin und dass meine Realität sich von jener in meinem Traum unterscheidet. Irgendwann überwand ich mich schließlich. Natürlich war da niemand. Aber mein Körper wurde auch dann nicht ruhiger. Auf der Seite zu liegen triggerte Körperempfindungen und immer wieder fuhr mir eine grauenvolle Angst in dem Bauch, woraufhin sich mein Magen ekelhaft zusammenzog. Das Zimmer, in dem ich war, schien meinem früheren Kinderzimmer sehr ähnlich. Nein, es war mein früheres Kinderzimmer, in das ich nun als Erwachsene zurückgekehrt bin. Die Lage des Bettes, der Blick auf den Türrahmen, in dem meine Mutter lehnte und mir mit einem Psychiater drohte, als ich phobisch war. Die Position des Schreibtisches, von wo aus ich das Telefonat tätigen wollte, genau wie in meiner Kindheit, nur dass da damals kein Telefon stand. Ich glaube, er sah ihm auch ähnlich, der Schreibtisch. Es war ein so körperlich fühlbarer Traum mit sehr starken, lebendigen Emotionen. Ich habe die Gefühle im Körper gespürt, so detailliert waren sie, vor allem in der finalen Szene, um die es sich vorrangig drehte. Die realistischen Bezüge im Traum ließen mich auch dann nicht schlafen, machten mir auch dann noch Angst, als ich die Paranoia bereits durchbrochen habe. Denn was, wenn das einmal eine echte Furcht gewesen ist? Die Darstellung meines Kinderzimmers, der Schatten des Mannes im Türrahmen, das Stiegenhaus, in das er floh. Die Aufteilung des Raumes und die Perspektive von meinem Bett aus, auf die anderen Möbel, auf die Tür, so wie es gewesen ist. Der Gedanke, dass das einmal meine reale Angst gewesen sein könnte, war es, der mich unruhig wach hielt und mir auch in der Sicherheit meines neuen Lebens so einen Schrecken bereitete. Temesta (Tavor) verhalf mir schlussendlich in den Schlaf. Er hing mir auch am Tag noch lange nach, der Traum, der dazu führte, dass ich die Realität nicht mehr von Trauminhalten unterscheiden konnte. Eigentlich sind meine Träume sonst beinahe abstrakt, außer mein Vater oder andere Männer, die mir böses wollen, verfolgen mich, dann werden sie emotional sehr intensiv, aber meistens haben sie dann wenigstens noch etwas absurde an sich. Diesmal nicht. Und bei einer Zeitform im Text konnte ich irgendwie auch nicht bleiben.

Am Tag nach diesem Traum schossen mir Gedanken zu meiner Angst vor offenen Türen ins Gedächtnis. Ich konnte lange nur mit geschlossenen Türen schlafen, vor allem als Kind, auch der Weg zu Tür musste frei sein, keine Spielsachen durften im Weg herumliegen. Ein „Fluchtweg“ musste immer bleiben, der aus dem Zimmer schnell hinaus führte. Als Kind, eigentlich bis ins Erwachsenenalter erklärte ich mir das durch meine phobischen Ängste. Ich kenne es auch noch immer, das ungute Gefühl das ich habe, wenn Betten nicht „richtig“stehen, Dinge herumliegen oder Kopfpolster auf der „falschen“ Seite liegt. Wie nervös, eigentlich ängstlich mich das macht, wenn ich die Tür im Nacken habe, ich so keinen Überblick über das Zimmer habe und somit die Tür auch nicht sehe. Das geht nicht, „verkehrten“ zu liegen, da muss ich zumindest den Kopfpolster nachjustieren um schlafen zu können. Ich erinnere mich spontan an so viele Momente mit dazugehörigen Gedankengänge, die ich damit verbracht habe, die diffusen, unangenehmen Gefühle meine Schlafsituation betreffend zu stoppen. Ich glaube, ich schicke das so ähnlich auch noch meiner Therapeutin in einer Mail. Vielleicht kennt das ja auch jemand von euch, Träume, die zu realistisch sind, zu fühlbar.

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. maya_von_traumaleben sagt:

    Ich hatte früher viele Albträume. Ich glaube, ich träume schon seit Jahren nicht mehr ( oder erinnere mich jedenfalls an nichts). Als Kind, Jugendliche und junge Erwachsene bin ich immer wieder schweißgebadet aud Verfolgungsträumen aufgewacht. Heute weiß ich, dass mein Stiefvater mich oft in der Wohnung verfolgt hat und ich vor ihm geflohen bin. In meinem immer wieder kehrendem Traum laufe ich um ein Haus (kein anderes ist da) und ein Monster läuft übergroß hinter mir her. Es frisst alle Menschen, die es in den Schlund bekommt. Und ich renne und renne und dann bekam ich keine Luft mehr und es war immer dieses eigenartige Gefühl da – als wenn man Blut schluckt.
    Später änderte sich dieser Traum – und andere Wesen verfolgten mich und ich lief in Todesangst weg, immer und immer wieder.
    Ich weiß nicht, warum ich heute nicht mehr davon träume. Aber ich bin auch froh darüber, es raubt so viel Kraft für die Tage. Es hat mich immer so eingenommen, mein Herz, meinen Verstand.
    Ich fühlte mich, was die Angst angeht, erinnert an meine Albträume. Manchmal vergisst man was alles mal da war. Und das ist bestimmt auch gut, in gewisser Weise. Aber vllt. sind Träume auch zum Verarbeiten gut.
    Ich lese gerade Traumaheilung durch Radikale Erlaubnis von Mike Hellwig und tauche gerade ein bisschen ein in das „alles wahrnehmen dürfen“ und daran heilen.
    Aber das werde ich erst demnächst sehen…
    Ich hoffe deine Stunden der folgenden Tage / des folgenden Tages konnte(n) noch etwas Helles für dich bereithalten… Ansonsten sende ich hier ein paar helle Sterne für Dich ⭐⭐⭐

    Gefällt 1 Person

  2. tina von traumaleben sagt:

    Danke fürs teilen! Ja ich glaube sie sind zum Verarbeiten gut, vor allem, wenn man sich tagsüber, bewusst noch nicht so sehr damit befassen kann. Gut, dass die Albträume bei dir aufgehört haben, mir sind traumlose Nächte auch am liebsten, weil schöne Träume produziert mein Hirn eigentlich nicht :D. Und danke für den Buchtip und die Sterne 😊

    Gefällt 2 Personen

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