Gestern Abend hat mir eine junge Frau beim Einkaufen den Tod gewünscht, na ja – Sie sagte ich solle doch lieber verhungern als ohne Maske einkaufen zu gehen – obwohl ich ihr gerade mitgeteilt hatte, dass ich eine medizinische Maskenbefreiung habe.
Die junge Frau sprach mich unfreundlich an, als ich direkt an der Kasse stand. Sie schaute abwechselnd mich und dann den Kassierer an und fragte ob denn die Maskenpflicht schon wieder aufgehoben sei. Nachdem ich sagte, dass es bereits seit 20 Monaten Menschen mit Behinderungen und medizinischer Maskenbefreiung gibt, zu denen ich auch gehöre, hat Sie mich weiter laut beschimpft, sprach wütend von hohen Inzidenzen. Als ich sagte, dass ich aber einkaufen gehen muss und ob ich denn verhungern soll, rief Sie laut und deutlich JA. Dann rauschte Sie ab durch die Ausgangstür. Und da war es wieder: Ich fühlte mich wie betäubt und fing an zu zittern. Die Menschen starrten mich an, drehten sich zum Teil weg und der Kassierer versuchte mich zu beruhigen. Ich stammelte was von wegen, dass das nicht hilft, weil es einfach zu oft passiert. Bereits an der Kasse hatte ich Mühe mich zu beherrschen und draußen konnte ich dann die Tränen nicht mehr zurückhalten. Und da bin ich wieder. Ich fühle mich wieder so. So wie nach all den anderen Anfeindungen der letzten 20 Monate. Ich fühle mich wie in einem unwirklichen Film, weil ich einfach mit meinem gesunden Menschenverstand nicht glauben kann, dass das alles passiert.
Und doch – warum ist es noch nicht zu einer Art Gewohnheit geworden? Kürzlich erst musste ich einen Arzt, der grundsätzlich medizinische Maskenbefreiungen nicht anerkennt, bei der zuständigen Ärztekammer melden.
Ich treffe seit vielen Monaten extra Vorsichtsmaßnahmen – gehe nur einkaufen, wenn ich dafür stabil genug bin. Frage andere Menschen, ob diese für mich einkaufen gehen können. Ich gehe immer erst am Abend einkaufen. Weniger Menschen, eine geringe Chance beleidigt und denunziert zu werden aufgrund der Tatsache, dass ich keine Maske tragen kann. Und doch passiert es immer wieder. Denn es ist allen Menschen bisher egal gewesen, die mich beschimpft haben, dass ich eine Maskenbefreiung habe. Auch nach der Offenlegung der medizinischen Befreiung – keine einzige Person hat sich nach dieser Information entschuldigt für die Anfeindungen. Ich kann sonst wie gut für mich sorgen, mich um mich und meine Stabilisierung kümmern – da es durch die immer wiederkehrenden Anfeindungen wieder ins Wanken gerät. Ich bin seit den ersten Angriffen im Mai 2020 immer weniger draußen gewesen, fahre nun seit diesem Jahr keine Bahn mehr, betrete keinerlei Fachgeschäfte und gehe sehr ungern zu Ärzten, da es bei all diesen zu Übergriffen, Beleidigungen und anderen Anfeindungen kam. Ich nehme seit 20 Monaten an so gut wie keinen sozialen und kulturellen Veranstaltungen mehr teil, bin isoliert und will es gar nicht sein.
Ich halte mich immer an die Abstandpflicht, desinfiziere mir vor und nach jedem Einkauf die Hände, bin keine Corona-Leugnerin oder Verschwörungstheoretikerin. Aber das ist mittlerweile egal – weil ich als genau das immer wieder beschimpft werde – analog und digital. Aber den Tod, ja den hat mir bisher noch niemand gewünscht, das war nun Premiere. Eine, die gesessen hat. So öffentlich – im Kassenbereich – mit vielen anwesenden Menschen. Und von diesen hat niemand etwas gesagt, außer der netten Person, die an meiner Kasse saß. Sie versuchte mich zu beruhigen und vermittelte mir, dass Sie wüsste, dass ich eine Befreiung hätte. Aber meinem Körper hilft das nicht mehr. Mein Geist und mein Körper sind nach den 20 Monaten einfach nicht stabil genug, um das einfach locker wegzustecken. Und da kann ich mich auch sonst wie gut um mich kümmern, mich auf mich fokussieren – weil das nicht mein Problem ist, sondern ein soziales, gesellschaftliches Problem!
Und nach dieser wiederholten, erneuten Erfahrung gestern, muss ich wieder meine Kraft darauf verwenden mich zu stabilisieren. Seit dem fühle ich meinen Körper nicht mehr richtig und habe Probleme mit der Zeitwahrnehmung, ein Resultat meiner Erkrankung. Ich verfalle in meine üblichen Bewältigungsstrategien, um klar zu kommen: Aktionismus. Denn meinen Körper konzentriert fühlen zu wollen, tut gerade zu sehr weh und ich will im Hier und Jetzt bleiben, nicht derealisieren und nicht vollkommen wegdriften.
Also tue ich Dinge. Denn das ist es, was mir gut tut.
Ich habe z.B. in einer großen Facebookgruppe der Stadt, in der ich lebe, eine direkte Ansprache an die Frau verfasst, die mich angefeindet hat, da ich weiß, dass sehr viele Menschen diese Gruppenaktivitäten verfolgen:
An die Frau, die mir gerade im Rewe des Hansaviertels den Tod gewünscht hat, weil ich keine Maske tragen kann. Ich sitze hier und bin wieder Mal total verstört, weil Du mich sehr unfreundlich angesprochen hast an der Kasse und Dich laut beim Kassierer informiertest, ob denn die Maskenpflicht schon wieder aufgehoben sei. Nachdem ich Dir sagte, dass es bereits seit 20 Monaten Menschen mit Behinderungen und medizinischer Maskenbefreiung gibt, zu denen ich auch gehöre, hast Du mich weiter beschimpft. Als ich Dir hinterherrief: Soll ich denn verhungern? Hast Du wütend, laut und deutlich mit JA geantwortet! Alle Menschen im Kassenbereich konnten dies hören – und es war Dir total egal. Wirklich? Ich soll verhungern? Soweit ist es schon gekommen?
Ich habe im Moment niemanden, der für mich Einkäufe erledigen kann! Und Du beschimpft mich laut und offen und ohne jede Scham, wünscht mir öffentlich den Tod, weil ich keine Maske tragen kann? Ich halte mich immer an die Abstandpflicht, desinfiziere mir vor und nach jedem Einkauf die Hände und kann kaum noch ohne Angstzustände einkaufen gehen – denn Du warst nicht die Erste! Aufgrund der ganzen Anfeindungen in den letzten 20 Monaten, war ich mehrfach wochenlang durch eintretende Depressionen schwer und lebensgefährlich krank und konnte mein Kind nicht mehr versorgen, das in dieser Zeit beim Vater leben musste. Dabei war ich vor den Anfeindungen in der Coronapandemie sehr stabil! Nun bin ich wegen solcher offener Anfeindungen, wie Deiner, wieder krank und habe immer mehr Angst vor all dem, was hier draußen mit den Menschen passiert! Was passiert in den nächsten Monaten mit Menschen, wie mir, wenn dies immer weiter eskaliert? Wirst Du mich schlagen oder mich verfolgen?
Hoffentlich wirst Du nie so krank, dass Du keine Maske mehr tragen kannst. Denn ich sage Dir – nicht dieser Umstand macht mich fertig und krank – sondern Menschen wie DU!
Die Personen, die das alles hier schon länger verfolgen, wissen, dass ich die Auffassung vertrete, dass die Lebenswirklichkeit von Betroffenen, von Menschen mit dauerhaften Erkrankungen und Behinderungen, in die Mitte der Gesellschaft gehört. Ich bin der Überzeugung, dass wir als Betroffene öffentlich darüber sprechen müssen, was uns widerfährt. Nur dadurch wird diese Lebenswirklichkeit sichtbar und überhaupt als Problem und als Teil der Gesellschaft anerkannt. Das Gleiche ist im Diskriminierungsbereich Rassismus geschehen und ist ebenfalls auf den Diskriminierungsbereich Ableismus (Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen) zu übertragen! Nur so können sich Lebensbedingungen von Betroffenen verändern. Aus diesem Grund – und nur aus diesem Grund – bin ich für eine offene Darstellung von Situationen, erfahrenen Anfeindungen, Übergriffen und jeder Art von Gewalt. Betroffene sind noch zu leise, zeigen sich noch zu wenig und aus diesen Gründen werden wir nicht gesehen und erleiden immer wieder gewaltvolle Übergriffe.
Ob mir Dinge peinlich sind? Ob ich mich für Dinge schäme? Ja, natürlich – aber wie mein Weg des Umgangs damit ist, habe ich erst kürzlich in dem Artikel „Scham“ beschrieben.
Die Reaktionen auf die öffentliche Darstellung der Anfeindung waren überwiegend positiv und das tat sehr gut!
Dennoch gab es auch dort Menschen, die mich trotz der Darstellung der sensiblen Situation, die sich ausschließlich auf die Nichtanerkennung meiner ärztlichen Maskenbefreiungen bezog, als Coronaleugnerin, Verschwörungstheoretikerin und Impfverweigerin beschimpften! Dazu gehörte u. a. ein Admin dieser Gruppe. Das ging soweit, dass mich eine Person ungläubig fragte, was ich denn überhaupt für eine Behinderung habe? Überhaupt wurde ich mehrfach belehrt und Menschen machten sich darüber lustig, dass ich überhaupt über solch eine Situation öffentlich schreibe! Hier einige Auszüge, von denen ich noch ein paar Screenshots machen konnte, bevor der Beitrag einfach aus der Gruppe gelöscht wurde:

Warum zeige ich Euch das?
Es geht mir um das Meinungsbild, das in Deutschland vorherrscht, was ich über Jahrzehnte erfahren musste und über das, was sich zudem in jüngster Zeit gebildet hat – und zwar durch alle Schichten! Links, Mitte, Rechts, Arm, Reich, durch alle Bildungsschichten – vollkommen egal. Es geht um die immer weiter abnehmende Empathie. Es geht darum, dass Menschen mit nicht sofort sichtbaren Behinderungen, ihre Behinderungen sogar abgesprochen, ja dass diese als Lügner*innen, als Leugner*innen, als Querdenker*innen hingestellt werden, wenn sie von ihren Erfahrungen berichten.
Ich habe diese ganzen Situationen der letzten 20 Monate für mich lange analysiert, abgewogen in welche Richtung ich mich bewegen möchte. Ich überlegte, ob es besser wäre, mich zurückzuziehen aus dem öffentlichen Kontext bzgl. all dieser Themen. Viele Mitmenschen rieten mir genau dazu. Auch hier auf TRAUMALEBEN konntet Ihr durch meine Artikel verfolgen, was ich in den letzten 20 Monaten erlebt habe.
Die einzige für mich richtige Antwort ergibt sich jedoch nicht aus rein rationalen Überlegungen. Denn alles was ich war und geworden bin, bin ich, weil ich immer weiter gegen Missstände gekämpft habe. Ich erleide oft Rückschläge und komme auch immer wieder in krankhafte und suizidale Zustände – aber dann stehe ich wieder auf und mache weiter. Aufgrund all der schlimmen Dinge, die ich seit meiner Kindheit erlebt habe, die gesunde und unbeschwerte Identität, die sie mir in meiner Kindheit geraubt haben und die gewaltvollen Strukturen, Verhältnisse und Verhaltensweisen, die mich auch in meiner Zeit als Erwachsene umgaben, haben mir nur eins gezeigt: Es gibt so viel zu tun!
Ich weiß, ich kann nie wieder in ein Leben zurückkehren, in dem all das keine Rolle spielt. Ich bin noch hier, weil ich einen Sinn darin sehe, mich gegen Gewalt und Diskriminierung einzusetzen. Gegen all das, was mir und vielen anderen widerfahren ist. Und ich brauche auch keine Ratschläge dazu, dass ich mir genau das abgewöhnen sollte, um ein ruhiges Leben zu führen. Deshalb spielt es keine Rolle, was andere denken oder welche Pros und Contras ich analysiere! Es spielt keine Rolle, wie oft ich angefeindet und wie sehr Menschen mich noch beschimpfen werden! Der Sinn, mich gegen Gewalt und Diskriminierung, gegen Manipulation, Zwang und jede andere gesellschaftlich anerkannten Gewalt einzusetzen, ist für mich nämlich das Einzige, was immer gezählt hat und immer zählen wird!
Und deshalb werde ich auch weiter machen und nicht aufhören.
Ich werde weiter Politiker*innen, Bürgermeister*innen, Senator*innen usw. anschreiben und um Mitwirkung bitten. Ich werde weiterhin Projekte organisieren, die sich für eine Sensibilisierung und Aufklärung von Lebensbedingungen psychisch kranker Menschen einsetzen. Ich werde mich diesbezüglich in Vereinen engagieren. Und nächste Woche werde ich den Behindertenrat meiner Stadt in einer Sitzung um Erklärungen dazu bitten, warum bisher so wenig für Menschen mit Maskenbefreiungen getan wurde – deutschlandweit!
Vielleicht geht alles etwas langsamer mit diesen belastenden Situationen in der Coronazeit. Aber ich werde nicht aufhören – und ich hoffe andere Betroffene – vllt. sogar Du – kämpfst auch weiter für eine stärkere gesellschaftliche Anerkennung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen!
Und noch etwas Schönes zum Mitnehmen und Zusammenhalten in dieser Zeit…
Ich finde das superklasse, dass du dich zeigst und es aushältst, dich damit noch verletzlicher zu machen.
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Irgendwie versteht die Gesellschaft das nicht. Und ich wiederum verstehe diesen Umstand nicht.
Es ist ja nicht so, dass man sich das selbst ausgesucht hätte. Man trägt die Maske ja nicht, weil es gut begründet ist und nicht weil man bösartig oder blöd oder unwillig wäre.
Wieso die Menschen dann so gemein werden, dass kann ich wirklich nicht begreifen. Nicht nur, dass man sofort mit Nazis, Verschwörung, Coronaleugnern in eine Ecke gestellt wird, ne es werden auch noch Dinge unterstellt… Das ist einfach nur mega schlimm!
Wir sind ja auch befreit, weil Flashbacks, Panik oder Ohnmacht nach wenigen Minuten auftauchen. Wir gehen auch nirgendwo mehr hin, aus Angst vor solchen Situationen. Und wenn man sich traut, dann zumindest mit einer Plastik Maske. Die ist zwar nicht zugelassen, aber da wir das grad so hinbekommen, möchten wir zumindest zeigen, wir wollen ja. Wir wären nicht verpflichtet, aber wir möchten andere wenigstens etwas schützen und auch uns selbst, obwohl das nicht so viel bringt.
Natürlich wird man angesprochen und das löst in uns so viel aus, dass wir unter der Last fast zusammen brechen… Aber wir haben die Befreiung immer dabei und bieten an sie zu zeigen. Interessant ist, dass auf mal keiner diese sehen will. War heute wieder so. Die wollen nicht mal, dass wir sie raus holen, und wenn wir es haben, schauen sie nicht drauf!
Ich glaub, da steht so Wut dahinter, weil die Leute glauben, so Menschen ohne Maske sind an allen Beschränkungen schuld und damit auch an deren Leid. Und im Grunde wollen sie nur ihre Wut raus lassen. Aber wenn man denen offensiv zeigt, man ist befreit (auch wenn es sie ja zum Teil gar nicht angeht, weil es ja nur Kunden und nicht Geschäft Angestellte sind) dann werden sie in den meisten Fällen dann doch vernünftig und hören auf gemein zu sein.
Hätten wir diese Erfahrung nicht gemacht, würden wir vermutlich gar nirgendwo hingehen, aber so trauen wir uns wenigstens ab und zu. Aber wir sind ja in der glücklichen Lage, dass unser Mann für uns einkaufen geht und es daher selten notwendig ist.
Ganz viel Kraft für dich Maya
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